«Gebäude, die wir heute errichten, müssen auch in 50 Jahren noch ihren Reiz haben»

Im Schweizer Immobilienmarkt fehlt es nicht an Herausforderungen. Die Immofonds Asset Management AG setzt daher auf eine klare Vision: «Lebensräume mit Charakter schaffen Rendite.» Geschäftsführerin Gabriela Theus gewährt im Gespräch Einblicke in die Philosophie, die das Unternehmen seit 70 Jahren erfolgreich prägt – und zeigt, wie diese in aktuellen Projekten wie «der gestapelten Stadt» zum Einsatz kommt.

Frau Theus, der Claim von Immofonds Asset Management lautet: «Lebensräume mit Charakter schaffen Rendite.» Können Sie diesen Ansatz näher erläutern?

Sehr gern. Als Fondsleitung besteht unsere primäre Aufgabe darin, die Vermögenswerte der Anlegenden unserer Immobilienfonds nachhaltig im Wert zu erhalten und eine solide Ertragsbasis sicherzustellen. Diese Mission verfolgen wir seit 70 Jahren erfolgreich, was den von uns verwalteten «Immofonds» zu einem der zehn grössten börsenkotierten Immobilienfonds der Schweiz gemacht hat. Mit unseren Investitionen konzentrieren wir uns ausschliesslich auf Schweizer Immobilienwerte, wobei der Fokus auf konjunkturresistenten Wohnliegenschaften in städtischen Zentren und Agglomerationen mit vielversprechendem Wachstumspotenzial liegt.

Für mich persönlich verkörpert unser Claim daher eine Verbindung aus Mut, Weitsicht – sowie dem tiefen Respekt vor dem Bestehenden. Es geht uns also konkret darum, Räume zu gestalten, in denen sich Menschen wohlfühlen, in denen sie leben, arbeiten und sich entfalten möchten. Das ist mit «Lebensräume mit Charakter» gemeint. Und nur wenn wir solche schaffen, lässt sich eine langfristige Vermietbarkeit – und damit eine nachhaltige Wertschöpfung – erzielen.

Wie lässt sich denn der Charakter eines Objekts oder einer Siedlung bewahren oder gar fördern?

Indem wir uns bei jedem Objekt die Frage stellen, was dieses attraktiv macht und wie wir seine Stärken optimal betonen können. Gleichzeitig muss man vorausschauend denken: Auch wenn wir hierzulande aktuell mit einer Wohnungsnot konfrontiert sind, gilt es zu gewährleisten, dass sich die Gebäude, die wir heute errichten, auch in 50 Jahren noch ihren Reiz und ihre Funktion bewahren. «Charakter» ist also ein Wert, der Bestand haben muss.

Ihr Unternehmen investiert seit 1955 in Schweizer Immobilienwerte. Welche Schlüsselmomente oder -entscheidungen in der langen Geschichte der Firma erachten Sie als entscheidend für den nachhaltigen Erfolg?

Diese Frage kann ich Ihnen bestens beantworten, da wir anlässlich unseres Jubiläums gerade intensiv an der Aufarbeitung unserer Firmenchronik arbeiten (lacht). Ein entscheidender Moment war zweifellos die Phase kurz vor 1955 als Gründer Hans Jenny  und Bruno Stefanini die visionäre Idee hatten, einen Immobilienfonds zu initiieren. Dies war eine zutiefst unternehmerische Entscheidung: Während der eine den Bauaspekt verantwortete, kümmerte sich der andere um die Immobilienverwaltung, parallel bauten sie jeweils ihre eigenen Unternehmen auf. Nach vielen wichtigen Etappen markierte das Jahr 2004 einen Meilenstein, als das Gewerbeareal in Wankdorf City vor den Toren Berns erworben wurde. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als dort weder die SBB noch die Post angesiedelt waren. Doch man erkannte das immense Potenzialdes Areals und antizipierte, dass sich hier dereinst etwas Grossartiges entwickeln liesse. Diese unternehmerische Weitsicht prägt uns bis heute als Fondsleitung.

Wie ist die Immofonds Asset Management AG heute aufgestellt?

Mittlerweile agieren wir als Tochtergesellschaft der Zuger Kantonalbank, bewahren jedoch unsere operative Unabhängigkeit. Wir bieten eine attraktive Alter-native für Anlegende, die ihre Immobilienwerte nicht ausschliesslich bei einer einzigen Grossbank bündeln möchten. Der Immofonds selbst ist ein etabliertes, man könnte gar sagen «altehrwürdiges» Gefäss mit Liegenschaften von erheblichem Potenzial. Das Gesamtfondsvermögen beläuft sich auf rund 2,4 Milliarden Franken. Der Fonds besitzt viele Grundstücke mit vergleichsweise geringer Bebauung, was spannende Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet und uns einen beachtlichen Gestaltungsspielraum verschafft – nicht nur für Grossprojekte wie Wankdorfcity 3. Mit der Lancierung unseres zweiten Gefässes, dem «IMMOFONDS suburban», haben wir einen weiteren unternehmerischen Schritt unternommen. Hier verfolgen wir eine andere geografische Strategie sowie ein abweichendes Risiko-Rendite-Profil im Vergleich zu unserem klassischen Wohngefäss. Wir bewegen uns dabei gezielt aus den urbanen Zentren heraus und integrieren die ESG-Transformation als integralen Bestandteil der Anlagestrategie.

Wie tun Sie das genau?

Wir erwerben Bestandsliegenschaften und schaffen dort einen signifikanten ESG-Mehrwert. Und diese Tätigkeit beschränkt sich nicht nur auf den ökologischen Aspekt von Nachhaltigkeit: Die aktuelle Wohnungsnot sowie die steigenden Kosten sind das Resultat vielfältiger demografischer und sozialer Entwicklungen. Wir können und wollen gemeinsam mit anderen Akteuren ein Teil der Lösung sein. Dafür ist es entscheidend, dass sich alle Beteiligten um pragmatische Lösungen bemühen und eine hohe Qualität der Bauten und der Bauprozesse gewährleisten.

Sie betonen, mit Engagement nachhaltig Wert für institutionelle und private Anlegende zu generieren. Wie stellen Sie diesen nachhaltigen Wert sowohl in Bezug auf finanzielle Renditen als auch auf ökologische und soziale Aspekte sicher?

In den letzten fünf Jahren haben wir uns intensiv mit der ESG-Thematik auseinandergesetzt und eine umfassende ESG-Strategie für unsere Fondsleitung formuliert. Beide Gefässe investieren konsequent nachhaltig, wobei beide Fonds die Klimaausrichtung und die ESG-Integration als nachhaltige Anlageansätze verfolgen. Gerade im Bereich der Dekarbonisierung, insbesondere beim Heizungsersatz, sehen wir ein enormes Potenzial, um einen signifikanten Impact zu erzielen. Dies ist jedoch keine einfache Aufgabe, da das von uns betreute Portfolio viele ältere Objekte umfasst und somit zahlreiche Heizungen ersetzt werden müssen. Wir arbeiten daher mit Zehnjahresplänen, um Sanierungsmassnahmen optimal in den Lebenszyklus der Immobilie integrieren zu können.

Sie haben mehrfach das Projekt Wankdorfcity 3 angesprochen. Worum handelt es sich dabei?

Im Norden von Bern, eingebettet zwischen Autobahn und Bahngleisen, entsteht derzeit mit Wankdorfcity 3 eine neue Vision des Lebens und Arbeitens – wir sprechen hier von einer «gestapelten Stadt». Auf einem 34 000 Quadratmeter grossen Areal nimmt hier ein neuer, dichter, durchmischter und lebendiger Quartierteil Gestalt an, der Raum für Wohnen, Arbeiten und Freizeit bietet. Als Investor treiben wir diese Vision massgeblich voran. Nach mehrjährigen Entwicklungs- und Planungsphasen sind wir im Mai 2025 in die Realisierungsphase gestartet. Ein erstes Gebäude, in das mehrheitlich bisherige Mieter eingezogen sind, ist bereits fertiggestellt und bezogen. Ende 2029 wird das Areal fertig gebaut sein.

Das klingt enorm spannend – und herausfordernd.

Das ist es in der Tat. Die grundlegende Frage, die wir uns stellten, war: Wie lässt sich eine so hohe Dichte, die eher an New York City als an Bern erinnert, mit grösstmöglicher Wohn- und Arbeitsqualität verbinden – und das an einem Ort, der von vielen eher als Unort wahrgenommen wird? Die Idee des Stapelns von Gebäuden erwies sich hierfür als goldrichtig. Auf einer Höhe von 30 Metern beginnt die Wohnnutzung. Die «Stadtterrasse» verbindet die Gebäude und schafft ein zweites Erdgeschoss für die Bewohnerinnen und Bewohner, bildet eine begrünte Oase und stellt vielfältige Aussenräume zur Verfügung.

Wie hat man bei diesem Mammutprojekt die ESG-Thematik verankert?

Auf vielfältige Art und Weise. Wir sprechen unter anderem von der «Schwammstadt»: Regenwasser soll möglichst lokal gespeichert und nicht in Gewässer abgeleitet werden, um das Pflanzenwachstum zu fördern und Verdunstungskälte für den Sommer bereitzustellen. Auf der Tiefgarage und der 30-Meter-Terrasse ist eine Substratschicht geplant, die Wasser speichern kann. Die vielfältigen Begegnungszonen wiederum schaffen Raum für Austausch und fördern das soziale Miteinander sowie die Durchmischung.

Der Planungsaufwand für ein solches Vorhaben muss immens gewesen sein.

Genau aus diesem Grund haben wir versucht, neue und innovative Wege zu gehen und eine proaktive Kommunikation zu pflegen. Dank dieser Bemühungen hat die Stadt Bern das gesamte Vorhaben in nur einem halben Jahr bewilligt, und das mit vergleichsweise wenigen Auflagen für ein so grosses Projekt.

Angesichts der aktuellen Dynamik im Schweizer Immobilienmarkt – Stichwort Zinsentwicklung, Mietregulierung, Wohnungsnot – welche strategischen Prioritäten setzen Sie, um weiterhin Wert für Ihre Anlegerschaft zu generieren?

Wir müssen uns wohl auf eine erneute Phase mit tendenziell tieferen Zinsen einstellen. Aus Sicht der Gefässweiterentwicklung ist dies grundsätzlich spannend, da indirekte Immobilienanlagen noch attraktiver werden. Es eröffnen sich hierdurch interessante Opportunitäten. Gleichzeitig wird es im Transaktionsmarkt anspruchsvoller werden, weshalb wir uns verstärkt auf die organische Entwicklung konzentrieren müssen. Eine transparente Kommunikation mit den Mieterschaften ist dabei essenziell, um eine breite Akzeptanz für notwendige Prozesse zu schaffen. Eine hohe Baukultur ist hierbei hilfreich.

Gibt es ein langfristiges «Hot Topic», das Sie besonders beschäftigt?

Die übergeordneten makroökonomischen Themen werden uns zweifellos weiterhin beschäftigen. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die Innovations- sowie die Wirtschaftskraft der Schweiz. Die Grundfrage lautet: Schaffen wir es, weiterhin attraktiv zu bleiben und unsere Produktivität zu steigern? Dies ist in einer Zeit der Unsicherheit keineswegs selbstver-ständlich. Hinzu kommt der gesamte soziodemografische Wandel, der viele Fragezeichen aufwirft.

Für uns stellt sich die Frage, wie wir resiliente Bauten schaffen können, die ihre Funktion, ihren Reiz – und ihren Charakter – bewahren. Mit dieser Thematik müssen wir uns schon heute intensiv auseinandersetzen. Dementsprechend engagieren wir uns für gute Bauten und Lösungen, aber auch für den Standort Schweiz als Ganzes. Hier liegt eine zentrale Stärke der Schweiz: Man setzt auf Eigenverantwortung und pragmatische Kompromisse. Diesen Geist gilt es zu bewahren.